Kreuzweg
für die
Heilig-Kreuz Kirche
in Stapelfeld

Station 1: „Jesus wird zum Tode verurteilt“
Elisabeth Pawils

 

Nur schemenhaft ist Jesus am rechten Bildrand zu erkennen. Man ahnt die Spuren der Folter und des Leids. Der Kopf ist nach vorne geneigt. Jesus trägt bereits die Dornenkrone. Auf der anderen Seite erscheinen in einem dunklen Rechteck Köpfe mit aufgerissenen Mäulern. Es ist die johlende Menge, die brüllt: „Kreuzige ihn, Kreuzige ihn.“ Darüber hat Pilatus zu entscheiden, der genau zwischen der Menge und Jesus steht. Seine Unentschlossenheit kommt durch die bloß andeutende Gestaltung zum Ausdruck. Auffällig ist die Farbgebung: die helle Christusfigur auf der einen und die dunklen Elemente der gesichtslosen Masse auf der anderen Seite. Pilatus bildet eine vertikale Achse in der Bildkomposition, auf die ein dunkler Balken horizontal antwortet. Das Kreuz ist unsichtbar, aber doch präsent. Der schmerzhafte Weg dorthin hat begonnen.
Das Bild weckt Fragen:
Wo erlebe ich, dass Menschen beurteilt oder verurteilt werden?
Wo begegne ich der gesichtslosen Masse?
Kenne ich das auch: Verleumdung, Niederbrüllen, Kleinmachen?
Wo waschen heute Menschen ihre Hände in Unschuld?

 
Station 2: „Jesus nimmt das schwere Kreuz auf sich“
Elisabeth Pawils

 

In diagonaler Ausrichtung nimmt das Kreuz die gesamte Bildbreite ein. Es ist an den Rändern angeschnitten und findet außerhalb der Bildgrenzen eine imaginäre Fortsetzung. So stellt sich das Bild einer Straßenkreuzung ein, an der man sich für einen Weg entscheiden muss. Jesus hat sich entschieden: Er nimmt das Kreuz an! Im Schnittpunkt der Wegbalken erkennen wir in zeichenhafter Andeutung die Dornenkrone Christi. In einem malerischen Prozess der Übermalung und des Freilegens ist dieses Gemälde entstanden. Risse, „verletzende“ Einritzungen und aufbrechende Elemente prägen es eindrucksvoll. Die Grundfarbe dieses Kreuzwegbildes ist Weiß: Farbe des Lichtes, der Reinheit, vor allem aber der Unschuld gilt. Durch die Farbschichten hindurch erkennt man die Schriftzüge mit den von Gemeindemitgliedern notierten Gedanken zu den Fragen:
Durchkreuztes Leben? Kenne ich das aus eigener Erfahrung?
Welche Risse und Verletzungen erfahren wir in unserem Leben?
Wie gehe ich mit der Zumutung des Kreuzes um?

 
Station 3: „Jesus fällt zum ersten Mal unter dem Kreuz“
Elisabeth Pawils

 

Es gibt äußere Lasten, die uns erdrücken können. Aber es gibt auch unsichtbare Belastungen; den gefühlten Druck, den man nicht sehen kann. Dazu gehört auch: die Last der Vergangenheit; die Geschichte, an der wir schwer zu tragen haben. Die Last der Vergangenheit – sie ist hier mit einfachen Mitteln eindrucksvoll ins Bild gesetzt: Der Rücken der bloß angedeuteten Gestalt Jesu biegt sich durch. Er scheint sich gegen die Last zu wehren. Die Last ist nicht nur durch das erdrückende Kreuz, sondern auch durch ein braunes Farbfeld angedeutet. Der Kopf Christi ist tief nach vorne geneigt. Die Jesusfigur hat keinen Halt, keinen Grund und scheint ins Bodenlose zu versinken.
Zwei Geschichten überkreuzen sich hier: seine Geschichte und unsere Geschichte: der Jude aus Nazareth und die Teufelei der deutschen Nationalsozialisten.

Die Künstlerin hat zwei Schriftzüge hier eingearbeitet. Einer stammt vom Cloppenburger Kreuzkampf-Denkmal, der anderes aus dem Christ-König-Haus der Akademie. Dort ist ein Predigt-Zitat des Kardinal von Galen als Spruchband-Relief um eine Säule gelegt. „Wenn man den Grundsatz aufstellt und anwendet, dass man den unproduktiven Mitmenschen töten darf, dann wehe uns allen, …“.

Berühmte Worte eines großen Mannes. Über die Lichtgestalten sprechen wir gerne. Für die Schatten schämen wir uns. Aber beides gehört zu unserer Geschichte: Licht und Schatten. Wie ist es bei mir? Wie stehe ich zu meiner Vergangenheit?
Im Zeichen des Kreuzes nehme ich wahr: Meine Geschichte gehört zu mir; Verwundungsgeschichten, die das Leben schreibt. Aber ich bin nicht nur meine Geschichte. Jesus hat meinen Weg gekreuzt. Er schreibt an meiner Geschichte mit. Und ich gehöre zu ihm - mit meiner Geschichte.

 
Station 4: „Jesus begegnet seiner Mutter“
Johanna Berges-Grunert

 

Klar umrissen sind die Motive dieser Kreuzwegstation. Im Schnittpunkt der schwarzen Kreuzbalken erscheint stellvertretend für Jesus der durch Kreuz und Kreis gestaltete Heiligenschein. Seine Form und Farbigkeit soll zugleich an das entsprechende Motiv auf dem Wandmosaik in der Kirche erinnern. Stellvertretend für Maria ist die Mandorla gewählt. Ihr mandelförmiger Umriss hat auch die Bedeutung eines Heiligenscheins. In einem tiefen Rot erscheint die Mandorla, womit die Symbolik dieser Farbe aufleuchtet. Rot ist die Farbe des Blutes und damit des Lebens aber auch des Schmerzes. Rot ist aber auch die Farbe der Liebe. So verdichten sich in diesem Farbfeld sowohl die Schmerzen Marias als auch die grenzenlose Liebe zu ihrem Sohn. Die mütterliche Liebe umfängt Christus und das schwarze Kreuz, dessen horizontaler Balken nach links schon auf die nächste Station verweist.
Ein Bild der bedingungslosen Liebe. Die Farbe einer Liebe, die noch im Leiden zu mir steht – kenne ich sie aus meinem eigenen Leben?

 
Station 5: „Simon von Cyrene hilft Jesus das Kreuz tragen“
Johanna Berges-Grunert

 

„Als sie Jesus hinausführten, ergriffen sie einen Mann aus Cyrene namens Simon, der gerade vom Feld kam. Ihm luden sie das schwere Kreuz auf, damit er es hinter Jesus hertrage.“ (LK 23,26) Unter dem dunklen Kreuzbalken, der diagonal die Bildfläche durchquert, erscheint der Umriss einer menschlichen Figur. Der Balken scheint den Körper und der Kreis den Kopf anzudeuten. Simon von Cyrene ist gemeint. Er trägt das schwere Kreuz, mit dem er gleichsam verschmolzen ist. Durch die Farbigkeit ist Simon jedoch auch mit Jesus verbunden, der im Kreuznimbus gezeigt wird. Jesus ist nun von einer Last befreit. Er kann aufrecht stehen. Das Kreuz hat seine Schwere verloren, was durch ein weiteres Kreuz in weißer Farbe zum Ausdruck kommt. Zwei Wege kreuzen sich; eine scheinbar zufällige Begegnung. Begegnungen können befreiend sein, Erleichterung schenken, nachhaltig berühren. Wird Simon von dem Leid einer ihm unbekannten Person berührt? Oder macht er sich so schnell wie möglich aus dem Staub? Begegnungen am Wegesrand: Was lösen sie in mir aus?

 
Station 6: „Veronika reicht Jesus das Schweißtuch“
Johanna Berges-Grunert

 

Die Begegnung von Jesus und Veronika wird nicht in der Bibel beschrieben. Sie ist eine Legende, die die Sehnsucht des Menschen nach einem wahren Bild Christi verdichtet. Der Name Veronika ist von vera icon (= das wahre Bild) abgeleitet. Doch zu sehen ist auf diesem Bild kein Gesicht, wie es in der Kunst des Mittelalters üblich gewesen ist. Gezeigt wird wieder das abstrakte Stellvertretermotiv des Heiligenscheins. Dabei symbolisiert das Kreuz die vier Himmelsrichtungen und damit die irdische und vergängliche Welt, während der Kreis das Ewige und Göttliche repräsentiert. Auffällig ist: In der Mitte der Bildkomposition ist ein weiteres Kreuz zu erkennen, das als Spiegelfläche gestaltet ist. Der Betrachter spiegelt sich so in diesem Bild und wird ein Teil des Bildes. Welches Bild habe ich von mir selbst? Ich – ein Bild Christi, vera icon? Oder bin ich „Veronika“? Wer sind dann diejenigen, die auf meine Unterstützung warten? Gespiegelte Bilder: Menschenbilder, Gottesbilder. Bin ich manchmal in der Gefahr, Gott auf ein einziges Bild zu reduzieren?

 
Station 7: „Jesus fällt zum zweiten Mal unter dem Kreuz“
Johanna Berges-Grunert

 

Christus fällt zum zweiten Mal unter dem Kreuz. Die Last von zwei Kreuzen liegt auf ihm, die durch abgerissene Fetzen von einem Klebeband gestaltet sind. Das weckt Assoziationen: Ist das Paketklebeband? Musste da etwas geflickt oder zugepflastert werden? Durch das Verweben der beiden Kreuze wird die Schwere des Kreuzes betont. Es entsteht auch eine unübersichtliche Situation an der Schnittstelle: In unterschiedliche Richtungen weisen die Kreuzbalken. Das löst ein Gefühl der Orientierungslosigkeit und Unsicherheit aus. Der Jesus repräsentierende Kreuznimbus wird in Teilen von den Kreuzbalken überschnitten. Er wird zu Boden gedrückt. Er ist ganz unten. Tiefe Rot- und Schwarztöne zeigen eine Dunkelheit, die aber eine Antwort findet: hell leuchtende Farbflächen, die von der Hoffnung auf Erlösung künden. Das Bild zeigt ein Spannungsfeld von schwerer Last und Hoffnung. Es lässt uns fragen: Welche Aufschrift tragen meine Kreuz-Pakete? Wer trägt sie mit? Was nimmt mir die Schwere?

 
Station 8: „Jesus begegnet den weinenden Frauen“
Elisabeth Pawils

 

Wieder findet eine Begegnung auf dem Kreuzweg statt. Die als Silhouette angedeutete Gestalt Jesu steht in der linken Bildhälfte. Sein Kreuz wirkt leicht und hat seine bedrohliche Präsenz verloren. Jesus ignoriert und vergisst seine Schmerzen, um sich ganz den weinenden Frauen zuwenden zu können. Diese erscheinen als verhüllte und gesichtslose Figuren, die von Trauer verdunkelt sind. Doch in ihre Gesichter ist wieder eine Spiegelfolie eingearbeitet: unsere Tränen im Bild der weinenden Frauen. Aufgeklebte und übermalte Zeitungsausschnitte unterstreichen den Bezug zur Gegenwart. Bei der näheren Betrachtung erkennt man eine anrührende Geste: die Hand Christi legt sich um die Hand einer der Frauen. Die Armbewegung setzt sich in einem großen Bogen fort. Dieser hält die gesamte Gruppe der weinenden Frauen zusammenhält. Auch in ihrer Farbigkeit sind die Frauen mit Jesus verbunden, wobei rote Farbelemente das Leiden Christi auf seinem Kreuzweg erinnern lassen. Menschen sind von Jesus berührt: Wo lasse ich mich rühren durch das Leid anderer? Wo erfahre ich Berührung? Bin ich von Gott berührt?

 
Station 9: „Jesus fällt zum dritten Mal unter dem Kreuz“
Elisabeth Pawils

 

Dramatischer könnte der Kontrast dieser Darstellung im Vergleich mit dem vorherigen Kreuzwegbild nicht sein. Jesus ist nicht aufrecht und nicht in zugewandter Haltung dargestellt, sondern er liegt kraftlos am Boden. Wir blicken frontal auf sein Haupt mit der Dornenkrone und auf seine ausgebreiteten Arme. Eine braune Masse drückt von oben auf diese erniedrigte Gestalt. Es gibt kein Entrinnen. Jesus wird auch von unseren Kreuzen erdrückt, was durch die eingearbeiteten Notierungen persönlicher Kreuzwege deutlich wird. Braune Farbspritzer lassen Blutstropfen assoziieren und betonen die Dramatik dieser Szene.
Aber es gibt auch ein Symbol der Hoffnung. Bei der näheren Betrachtung lassen sich im oberen Bildbereich schemenhaft die Umrisse einer Arche erkennen, die als Sinnbild des Schutzes und der Rettung gilt.
Wie reagieren wir auf Menschen, die gestürzt, kraftlos und zu Tode erschöpft sind?
Haben wir den Mut und die Kraft, nicht wegzusehen trotz eines Gefühls der Ohnmacht?
Dreimal ist Jesus gestürzt und wieder aufgestanden. Und wir?

 
Station 10: „Sie würfelten um seine Kleider“
Johanna Berges-Grunert

 

Auf eine illustrierende Darstellung dieser biblischen Szene wurde bewusst verzichtet. Man sieht weder Soldaten, Mantel noch Würfel, die jedoch zu Beginn des künstlerischen Prozesses konkret sichtbare Motive gewesen ist. Doch die Künstlerin übermalte diese Motive, um ihre Betroffenheit, ihre Wut und ihren Zorn zum Ausdruck zu bringen. Mit Wut und emotionaler Beteiligung ist die Farbe aufgetragen. Sie malt, was sie fühlt. Von Unheil und Tod kündet eine schwarze Wolke, die sich von links ins Bild schiebt. Und dann erschreckt dieses Rot, dieses blutige Rot, das sich gnadenlos ausbreitet. Blut fließt. Auf den roten Schrei des Bildes antwortet das leuchtende Weiß eines Dreiecks, das von oben in das Bild eindringt. Es scheint das Kreuz mit dem Christusnimbus schützen zu wollen. Denn von rechts schießt eine Lanze auf das Kreuz und kreuzt sich diagonal mit dem Rohr mit dem Essigschwamm. Motive der Kreuzigung Christi werden schon vorweggenommen. Auch heute werden Menschen verhöhnt und ihrer Würde beraubt. Sie werden zum Spielball der Mächte. Die schützende Hülle der Kleidung wird ihnen weggerissen.

 
Station 11: „Jesus wird ans Kreuz geschlagen“
Johanna Berges-Grunert

 

Der Vorgang der Kreuzigung selbst wird in den Evangelien nur angedeutet. Die frühen Christen empfanden allein die Vorstellung dieser Szene als zu schockierend. Erst Jahrhunderte später entwickelt sich in den künstlerischen Darstellungen der Passion das Annageln am Kreuz zu einem selbstständigen Bildmotiv. Es steht nun für die Ohnmacht und Gewalt der Menschen, die es zu allen Zeiten gab, aber auch für den gekreuzigten Gott, der sich selbst davon be-treffen lässt: Überdimensional groß erscheinen fünf Nägel. Aggressiv und in metallischer Schärfe steuern sie auf das Zentrum des Kreuzes zu. Sie repräsentieren die fünf Wundmale Christi, die sich aus den Verletzungen durch die vier Kreuzesnägel und der Lanzenstichwunde zusammensetzen. Was für ein Schmerz, wenn Nägel und Lanze in den Körper eindringen! Doch der rote Kreis im Zentrum dieses Kreuzwegbildes, scheint in Bewegung zu sein, scheint zu rotieren und so das weiße Kreuz im Hintergrund schützen zu wollen: Schutzraum der Liebe. Die Nägel bohren uns manchmal tief ins Fleisch. Aber in mir gibt es diesen inneren Raum der Liebe: unverletztlich, unzerstörbar.

 
Station 12: „Jesus stirbt am Kreuz“
Johanna Berges-Grunert

 

Es ist Karfreitag. Ein schwarzer Tag! Sonnenfinsternis. Nur noch schemenhaft ist der Kreuznimbus im Schnittpunkt der Kreuzbalken zu erkennen. Es geht ein Riss durch das Bild. Er Riss lässt das biblische Motiv des Vorhangs, der zur Todesstunde Christi im jüdischen Tempel zerreißt, aufscheinen. Er steht aber auch für die Risse im Leben, zerrissenes Leben. Der Vorhang im Tempel verbarg das Heiligtum vor den Augen des Volkes. Jetzt hängt er in Fetzen dar. Ein abgründiges Bild! Der Riss steht für die Wunde des Menschensohnes, aber auch für die Gotteswunde der Menschen: Wo ist Gott? Was ist hinter dem Vorhang? Nur absolute Dunkelheit? Das Bild sagt aber auch: Die Religion, der Glaube führt uns an diesen Vorhang. Was dahinter liegt, können wir nur ahnen. Aber das neue Leben schimmert schon durch. Das durchschimmernde Gold lässt den Riss zum Tor werden. Es gibt einen Zugang zum Ewigen, zur Erlösung – durch die dunkle Nacht hindurch. Erst durch den Riss kommt dieses Licht in die Welt: Der Sänger und Poet Leonard Cohen drückt es so aus: „There is a crack, a crack in everything. That's how the light gets in” („In allen Dingen gibt es einen Knacks. Das ist die Weise, wie das Licht hineinkommt“).

 
Station 13: „Jesus wird vom Kreuz abgenommen und in den
Schoß seiner Mutter gelegt“

Elisabeth Pawils

 

Jesus – im Schoß seiner Mutter. Aus diesem Motiv wurde im Mittelalter das Andachtsbild der Pietà. Ein starkes Trostbild, besonders im Zeitalter der Pest. Seine Botschaft lautet bis heute: Auch ich werde gehalten im Augenblick des Schmerzes, der Erniedrigung und des Todes. Maria wird in diesem Bild durch das blaue Gefäß symbolisiert. Das Mittelalter kannte den Sinnspruch: „Maria ist das irdene Gefäß, in dem die göttliche Frucht heranreift.“ Auf vielen Verkündigungs- oder Weihnachtsbildern wird Maria ein Gefäß zugeordnet: ein uraltes Symbol des Aufnehmens, Annehmens, Bewahrens und des Schützens. Der Kreislauf des Lebens – von der Geburt bis zum Tod – schließt sich. Wie eine Neugeburt erscheint der Tod. Das Gefäß nimmt in seiner blauen Farbigkeit die Farbe Marias auf. Das Kreuz Christi erscheint in einem leuchtenden Weiß. Der Corpus Christi ist nur noch durch zeichnerische Andeutungen vor dem Kreuz zu erkennen. Das Gefäß ist transparent, das Kreuz schimmert durch. Das Blau ist auch die Farbe des Himmels, der Transzendenz. Maria ist der transparente Mensch: transparent, offen für die Transzendenz, auch im Leiden.

 

In vertrauten Armen zu sterben ist ein Sehnsuchtsbild jedes Menschen.
Kann ich mir das vorstellen: dass es eine Liebe gibt, die alles übersteigt, sogar Schmerz und Tod?
Maria ist transparent für diese Liebe. Und wir?

 
Station 14: „Jesus wird ins Grab gelegt“
Elisabeth Pawils

 

Eine große Öffnung prägt dieses Kreuzwegbild, die wir als das Grab Jesu deuten können. Doch der Stein, der das Grab verschließt, ist schon weggerollt. Eine geheimnisvolles Licht erfüllt die Grabhöhle. Nicht die Dunkelheit des Todes, sondern das Licht des Lebens ist hier malerisch zum Ausdruck gebracht. Wie bei dem Karfreitagsbild ist die Auferstehung Christi auch schon angedeutet. Die durch malerische und zeichnerische Elemente dargestellten Felsbrocken im oberen Bereich dieses Bildes lassen die Schwere des Steines erahnen, mit dem das Grab verschlossen war: „Am ersten Tag der Woche kam Maria Magdala frühmorgens zum Grab und sah, dass der Stein vom Grab weggenommen war.“ (Joh. 20,1)
Das Bild spielt mit der Perspektive: Schauen wir in das Grab hinein. Oder schauen wir aus dem Grab heraus?
Wo befinde ich mich gerade. Liegt der Stein noch davor? Oder ist der Durchblick in das Neue, in die österliche Lebendigkeit schon da?

 
„Die Auferstehung Christi“
Elisabeth Pawils & Johanna Berges-Grunert

 

Die letzte Station des Stapelfelder Kreuzweges fällt aus dem Rahmen. Gewählt wurde ein Hochformat und Abstandhalter lassen das Gemälde in den Raum – die dunkelste Ecke der Kirche Heilig Kreuz – hineinragen. Gemeinsam haben die Künstlerinnen diese Station geschaffen, die metallisch aufleuchtet. Ostern leuchtet uns entgegen! Zahlreiche Farbschichten wurden aufgetragen, um eine vibrierende nicht fassbare Räumlichkeit entstehen zu lassen. Nicht fassbar ist auch das in den Rottönen nur angedeutete Kreuz. Es scheint sich nach oben aufzulösen und mit dem Goldgrund zu verschmelzen. Und doch ist das blutrote Kreuz noch da. Die Kreuze im Leben sind nicht einfach aufgelöst – sie sind erlöst, in die erlöste Form gebracht, die wir jetzt nur ahnen können. Am unteren Rand des Bildes scheint die rote Farbe noch ganz frisch zu sein. Noch sind nicht alle Wunden dieser Welt verheilt. Aber die Heilung hat begonnen. Im Licht der Osterbotschaft kann uns einleuchten: „Jetzt heilt es leise unter uns“ (R. M. Rilke).

Der Stapelfelder Kreuzweg endet dort, wo Menschen die Kirche betreten und wieder verlassen. Wir feiern die österlichen Geheimnisse in den Alltag, in das Leben hinein. Viele Kreuze sind noch da. Aber auch die Erlösung ist schon da. Das neue Leben hat begonnen.